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Montag, 19. November 2012

Küssen erlaubt I Sandra Wöhe

Küssen erlaubt

„Brigitte hat Inge – nee, Inge hat Brigitte. Na, ist ja auch egal, wer jetzt wen, jedenfalls hat die eine die andere betrogen“, trage ich Irma den neuesten Klatsch zu.
„Was, Betrug?“, fragt meine Busenfreundin. „Die beiden? Gute Jobs, reichlich Geld. Haben die das nötig?“ Manchmal ist Irma etwas begriffsstutzig. Wer redet denn von Betrug? Ich spreche über Sex. Über Wollust. Geilheit. Leidenschaft. Eben Sex. Exklusiv für die eine. Gedacht, bis die Untreue uns scheidet.


„Ich glaube, es war Brigitte. Die hatte die Nase zwischen den Brüsten einer fremden Frau. Und Inge hat das Doppelbett zerhackt.“
Irma schüttelt den Kopf. „Wenn, dann lag es nicht an der Nase. Dann wurde gelogen, hintergangen und ganz miserabel kommuniziert.“
Wie, die Nase ist wurscht? Der Fremdsex egal, solange die beiden nur ordentlich reden miteinander? „Ach. Du erlaubst also deiner ein, ein Abenteuer. Eine Affäre. Seitensprünge. Untreue!“

Nonchalant lehnt Irma an der Tafel mit dem Fahrplan fürs Tram. „Wenn sie mich dabei nicht hintergeht.“
Mir fällt das Kinn hinunter. „Aber, Irma, also wirklich. Irma!“
„Betrügen heißt bescheißen. Das würde ich nie. Oder, wenn du kein Jiddisch kannst, dann kommt es eben von Trügen. Täuschen. Irreführen. Das wäre der Scheidungsgrund.“ Sie zuckt mit den Achseln. „Aber Sex? Der wird überbewertet.“
Mein Gesicht ist immer noch ein einziges Fragezeichen.
Irma seufzt tief. „Schätzchen“, sagt sie, als würde sie einem kleinen Hund den Kopf tätscheln. „Deine Frau gehört dir nicht. Eine Wohnung, ein Bett. Aber es bleibt bei zwei Zahnbürsten. Und zwei Leben.“
„Wie wichtig Treue ist, liest und hörst du überall“, sage ich. „Auf die Barrikaden für die Monogamie! Gegen Schlampen! Wer auswärts füllt den Schnabel, den stech’ daheim die Gabel.“

Irma lacht. „Schlampen, liebe Mette? Meinst du das polyamouröse Konzept?“
Was Irma für Wörter kennt! Nur die Wörter? Wir hatten damals sicher keine offene Beziehung. Jedenfalls nicht dass ich wüsste.
„Sag mal, hast du eigentlich … Nein, ich will es gar nicht wissen. Aber hast du, nein, würdest du ... es mir sagen? Hast du?“
Irma umarmt mich. „Wenn, dann hätte ich es dir schon damals gesagt, als ich deine aktuelle Lebensliebste auf Zeit war.“ Sie küsst mich. „Eine Schlampen-WG, eine Mehrfachbeziehung, ein polyamouröses Netz, das wäre mit dir gar nicht möglich zu leben. Du ordnest dein Geflecht von Freundinnen hierarchisch. Dabei könntest du sie auch gleichberechtigt nebeneinander stehen lassen.“

Höre ich da etwa ein gesellschaftliches Anliegen? Gegen die Zweierkiste, für die Schlamperei? Das kann nur im Schlamassel enden. „Irma, bei aller Liebe. Unsere Knutschzeit ist vorbei.“
Sie steigt in das Tram. „Küssen mit dir, das war mein Hobby, mein absoluter Lieblingssport. Ich vermisse es“, sagt sie lächelnd. „Sag, Mette, warum sollten wir nicht? Alles kann doch möglich sein, so lange nichts muss.“
Die Tramtür schließt sich. Irma küssen? Müsste sie nicht erst ihre Freundin fragen? Was steht im Lesbenknigge? Ein Ruck und die Straßenbahn fährt an. Ich lecke mir die Lippen.
 

Mittwoch, 5. September 2012

Star zum Mittagessen I Sandra Wöhe

Star zum Mittagessen

„Na, endlich, da bist du ja!“ Seit einer Viertelstunde schon warte ich in der Edel-Boutique auf Irma und bewache den Stapel Größe 38. Nun ja, 40. 42 würde ich nie probieren. Niemals. Heiße ich Marilyn? Oder etwa Norma Jean?
„Wo brennt’s denn?“ Irma kaut genüsslich. Wenigstens mittags sollte sie gesünder essen, sonst werden die Falten sie bald packen, und das nicht nur am Genick.
„Ich werde ein Star, Irma, such mir was aus!“
Meine allerbeste Freundin in sämtlichen Lebenslagen verschluckt sich beinahe an ihrem Sandwich. „Wie bitte?“ Sie räuspert sich. „Du schreist mich zum Styling? In meiner Mittagspause? Welcher Schuh hat dich denn getroffen?“ Sie dreht sich auf dem Absatz um und verlässt den Laden.
Die Kleider fliegen auf den nächsten Ständer. Ich laufe ihr nach. „Ir-ma. Waar-te. Iiirmaa! Ich brauche dich.“ Endlich habe ich sie eingeholt. „Ich brauche deinen Rat! Weil, weißt du …“ Mir wird heiß. „Ich komme auf den roten Teppich! Und du sollst mein erster Fan sein. Bist du doch immer. Red carpet! Ich! Hörst du? Red! Carpet!“ Dass sie, meine Lieblings-Irma, die Erste Vorsitzende meines Fanclubs wird, das muss ihr doch imponieren!
Sie zeigt mir den Vogel. „Als gesponserter Hintergrund?“ Sie lacht. „Klar bist du ein Star. Topmodel. Wo ist das Foto? Zeig mal her.“
Irma kann so böse sein! So gemein war ich nie zu ihr. In all den Jahren nicht. „Wer spricht denn hier von Heidi, Jette, Karl? Oder Prèt-à-party. Wie auch immer das heißt. Ich werde Star des Supermarkts. Die Athletin der Apotheke. Das Gesicht der Genossenschaft.“
Endlich kann ich meiner Irma erzählen, wie mir der Fotograf seine Karte in die Hand gedrückt hat. Das neue Gesicht für Kataloge, Drogeriemagazine und Lebensmittelzeitungen! Ein Durchschnittsgesicht, aber speziell, mit Ausstrahlung. Ich eben. Morgen ist das Casting, elf Uhr in Studio 15.
„Supermarkt-VIP?“ Irma zuckt mit der Schulter. „Musst du dafür wie Michaela Nackedei durch den Dschungel flitzen? DJane für den Discounter?“
Dschungel? Irma sieht vor lauter Lianen die Reality nicht. Die Chancen. My chance, my very, very own. Ein Klick, ein Foto, a star is born.
Ich packe sie und walze mit ihr die Plakatwand entlang. „Red carpet, here I am! Die Medien werden sich um mich reißen. Die Homestory ist praktisch schon gedruckt.“
Geld werde ich verdienen, richtig mächtig Kohle. Money, money, money. Ich werde nie mehr arbeiten müssen. Ein Tablet oder Smartphone? Wieso oder? Kreditkarte. Schwarze credit card. Black is a girl’s best friend.
„Lässt du die Presse in deine Höhle, verlierst du mindestens zwanzig Prozent deiner Persönlichkeitsrechte. Wenn nicht noch mehr. Für immer! Frag Brigitte Nielsen.“
Warum macht Irma das? Warum verdirbt sie mir den Spaß? Ein bisschen Träume liften darf doch jede. Warum nicht ich? Ist sie etwa neidisch?
„Irma, liebe, liebe Irma, hilf mir doch. Was soll ich zum Shooting anziehen? Mein Must-have, morgen schon brauch ich das!“
Irma hebt die Augenbraue. „Du wirst ein Star? Such dir was aus!“ Sie beißt in ihr Sandwich und ist gleich darauf verschwunden.

Samstag, 14. Juli 2012

Glückshandel

Glückshandel

Meine Busenfreundin kippt ihren Korb auf dem Küchentisch aus. Ich grabsche nach den Zeitschriften. „Hast du wirklich alle gekriegt, Irma?“
Sie nickt. „Allerliebste Mette, Auftrag hoffentlich zu deiner Zufriedenheit ausgeführt. Was willst du nur mit all dem Papier?“ Ich zwinkere ihr zu. „Das Glück, ich muss es anschubsen. Sonst kriege ich das Geld für die Weiterbildung nie zusammen.“

Irma zieht die Augenbraue hoch. „Sparen vielleicht?“, fragt sie und blättert in den Heften, die sie aus dem Altpapier gerettet hat. „Willst du zwei mal zwei Nächte für zwei Personen im Wellnesshotel gewinnen? Im Wert von zweitausend Franken.“ Sie nimmt den Bleistift.
„Alles, was zu Geld gemacht werden kann, macht mich glücklich.“ Ich schlage den Apothekenratgeber auf. Botanik, Bewegung, Beauty? Ich weiß Bescheid. Weiter zum Sudoku. Brauche ich eine Kompaktwaschmaschine? Egal. Das Glück macht sowieso, was es will.
„Dann spiel doch gleich Lotto.“ Irma radiert. „Rätseln kostet Zeit. Und ist Arbeit.“
„Viel zu teuer, meine Liebe. Das Geld für den Lottoschein will ich nicht berappen. Auch ohne Franken muss das klappen.“
„Reich werden beim Rätseln? Soviel Glück widerfährt höchstens Gustav Gans. Und der hat keine Schwester.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Immerhin wusste er, dass der Eigenanteil am Erfolg überschätzt wird.“
„Ach, Irma. Auch wenn sie selten sind, Wunder gibt es immer wieder.“ Meine Stimme klingt trotzig. „Ist dir denn noch nie eins begegnet?“
Selbstverständlich hat das Glück nicht die Tüchtige. Es gibt Milliarden von Tellerwäscherinnen, die tagein, tagaus riesige Spülmaschinen füllen und tagaus, tagein davon träumen, die eigenen Millionen zu waschen. Na und? Es braucht ein klitzekleines Quäntchen Glück, um im Geld zu schwimmen. Und ein wenig Tatkraft. Sonst geht der Tresor nie auf.

„Die meisten Lottomillionäre haben das Geld ohnehin innerhalb von zwei Jahren verbraten.“ Irma lacht. „Und dann wäre es wieder Essig mit der Weiterbildung.“
„Geben wir dem Zufall die Chance, auch mit mir Schicksal zu spielen. Ich will doch keinen Sechser im Lotto oder eine Riesenerbschaft. Mir genügt ein Lebensmittelgutschein pro Monat, zwei Jahre lang.“
„Zufall?“ Irma nickt begeistert. „So viele Erfindungen gibt es, die steinreich gemacht haben. Dabei sind sie bloß zufällig entstanden. Zet Punkt Be Punkt LSD. Penicillin, Röntgenstrahlen, Klebezettel, Tintenstrahldrucker und und und. Mikrowellenherd. Das Schicksal liebt den Zufall.“
Besonders, wenn es ein bisschen geschubst wird. Es ist einfach schöner, Kreuzworträtsel zu lösen, als auf den Glücksboten zu warten.
Und wenn ich nicht gewinne? Mein Blick schweift durch die Küche. Wenn ich nicht gewinne, werde ich eben einige Dinge zu Geld machen. Für den Toaster und das Waffeleisen bekomme ich sicher noch ein paar Franken. Dann ist das Porto fürs nächste Preisausschreiben schon mal gesichert. Stabmixer, Entsafter, Dampfgarer. „Sag mal, hast du nicht letztens gesagt, dass du auch genau so einen haben musst?“ Ich deute auf den Tischgrill.
„Zeig mir lieber die Rechnung von der Weiterbildung.“ Irma lacht mich an.

Freitag, 11. Mai 2012

Meilenweit gelaufen

Meilenweit gelaufen

„Nicht so schnell, Mette“, ruft meine Busenfreundin. Für Sport-As Irma bin ich alte Raucherinnenlunge zu flink? Sie pfeift ja wie eine Dampflok! Unglaublich.
„Mette! Erst Spaß und Schwatz. Und dann. Der Schweiß“, hechelt Irma. „So springt. Sie auf. Der Alm. Die Geiß. Beim Shoppen. Jagen wir. Den Preis. Und nicht die Uhr.“ Ich weiß, ich weiß.

Wieso denkt sie jetzt ans Shoppen? Laufen ist dran, nicht Laufsteg, In der Sonderangebotszeit bin ich sowieso gut trainiert. Speziell die Ellenbogen. Siebzig Prozent Rabatt auf Designerware belohnen jedes Hanteltraining. Aber der nächste Ausverkauf ist weit. Also Sport. Dabei müsste sie gegen die Rauchen-Stopp-Fetthüftbauch-Speckröllchen doch ausreichen, die Fünf-Mal-täglich-Salatblatt-sonst-nichts-Mager-Grün-Diät.
Sport ist Mord. Ich hörte auf zu rauchen, weil es mir zu viel wurde, zwanzig Mal innerhalb von sechzehn Stunden mehrfach die Hand zum Mund zu führen. Und dieses Ascheschnipsen ungezählt wie oft! Muskeltraining. Ständig. Raucherinnen verbrauchen zweihundert Kalorien am Tag. Kalorien? Kilokalorien! Die Zigi davor und danach? Schwerstarbeit! Warum habe ich bloß aufgehört? Doch nicht wegen der Gesundheit. Das bisschen Husten und die leise rasselnden Bronchien? Völlig überbewertet. Schuld sind sowieso die Abgase. Ein Auto rauscht mit knatterndem Auspuff an uns vorbei.

„Brems endlich ab, Mette. Sonst verpasse ich dir einen Pulsmesser. Optimal sind siebzig Prozent von 226 minus dein Alter. Also, Mette, du bist zu schnell. Für dein Alter.“
Und so etwas ist meine beste Freundin? Irma sollte mich besser kennen. Beim Sport ist das Ziel, so schnell wie möglich Laufschuhe in die Ecke, Klamotten aus, ab unter die Dusche, rein in den Hausanzug und rauf auf die Couch. Und sonst nichts. Leider. Das waren noch Zeiten, als neben der Fernbedienung fürs Fernsehen Feuerzeug und Fluppe auf mich warteten.
„Intervalltraining heißt, drei Minuten zügig gehen und dann drei lockeres Tempo laufen. Das reicht fürs Erste.“
Ich bleibe stehen. „Mir langt’s. Warum tu ich mir das überhaupt an? Nur wegen ein bisschen Gesundheit in spe? Um das Sterben, liebe Irma, da kommen wir eh nicht herum.“
Wieder ein Auto. Der Fahrer raucht. Ich seufze. „Viel wahrscheinlicher, dass mich ein Unfall erledigt, viel schneller als der Lungenkrebs. Mit meinem Glück werde ich keinen einzigen Tag der Rente genießen können.“
„Mensch, Mette, die Sucht hat dich ja voll im Griff.“ Irma runzelt die Stirn. „Lunge, Kreislauf, Hüftgold, Herzchen, alles gleichgültig. Dann gibt es nur noch eins.“ Sie strahlt. „Verlieb dich, mein Stinkstiefelchen.“

Das war wirklich der einzige Grund, nicht mehr zu rauchen: der Gestank. Ich konnte mich selbst nicht mehr riechen. Aus allen Poren kroch Qualm. Ein wenig Herzengagement gegen Entzugserscheinungen? Hört sich gut an. Luft und Liebe, das ist die ideale Diät. Sex bleibt mein Lieblingssport und Küssen ist das beste Mittel gegen Raucherzunge. Ach, was kann Gesundheitsfürsorge schön sein! Ich hab das Rezept. Wo, bitte, ist die nächste Apotheke? Mit einer Hübschen im weißen Kittel? Nichtraucherinnen bevorzugt.

Inge Lütt liest aus Die indonesischen Schwestern: Mein Freund die Linde

Die erste stürmische Nacht hat die kleine Kiwi gut überstanden. Aber die alte Linde am Friedhof steht nicht mehr. Als frischgebackene Großmutter kommt Phyllis ins Grübeln. Neue Soundbites ab Seite 30: „Die indonesischen Schwestern“ lassen aufhorchen.

Dienstag, 13. März 2012

Der Wurm steckt in der Suche

Kann das Internet krank machen? Doktor Google sagt nein. Trotzdem hat sich Mette über die Suchmaschine einen Fischbandwurm geholt. Wie sie ihn mit Irma und ohne Entwurmungsmittel wieder losgeworden ist, das ist auf Sandra Wöhes Website nachzulesen, mit einem Klick auf www.sandrawoehe.ch

Freitag, 2. März 2012

Wenn das Schlüsselloch errötet

Wenn das Schlüsselloch errötet

Vielfalt und Abgründe des Liebeslebens: Das Jahrbuch der Erotik «Mein lesbisches Auge 11» (konkursbuch Verlag Claudia Gehrke) erzählt vom ersten Kuss und davon, wie sich die Schönheit im Leben und in der Liebe ausbreitet. Wie war das, als Sandra Wöhe das zweite Mal eine Frau küsste? Das komplette Interview finden Sie auf www.sandrawoehe.ch.

Freitag, 10. Februar 2012

Saures oder Süßes? I Sandra Wöhe

Saures oder Süßes?
Sandra Wöhe lässt ihr Duo Kolumna stehen. Zum Glück ist es nur ein kleiner Ampelstopp, den Irma und Mette auch gleich nutzen, um ganz nebenbei ein Mittel gegen Homophobie zu finden. Wie das aussieht und was ein malayischer Universitätsprofessor damit zu tun hat, finden Sie auf www.sandrawoehe.ch.