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Freitag, 11. Mai 2012

Meilenweit gelaufen

Meilenweit gelaufen

„Nicht so schnell, Mette“, ruft meine Busenfreundin. Für Sport-As Irma bin ich alte Raucherinnenlunge zu flink? Sie pfeift ja wie eine Dampflok! Unglaublich.
„Mette! Erst Spaß und Schwatz. Und dann. Der Schweiß“, hechelt Irma. „So springt. Sie auf. Der Alm. Die Geiß. Beim Shoppen. Jagen wir. Den Preis. Und nicht die Uhr.“ Ich weiß, ich weiß.

Wieso denkt sie jetzt ans Shoppen? Laufen ist dran, nicht Laufsteg, In der Sonderangebotszeit bin ich sowieso gut trainiert. Speziell die Ellenbogen. Siebzig Prozent Rabatt auf Designerware belohnen jedes Hanteltraining. Aber der nächste Ausverkauf ist weit. Also Sport. Dabei müsste sie gegen die Rauchen-Stopp-Fetthüftbauch-Speckröllchen doch ausreichen, die Fünf-Mal-täglich-Salatblatt-sonst-nichts-Mager-Grün-Diät.
Sport ist Mord. Ich hörte auf zu rauchen, weil es mir zu viel wurde, zwanzig Mal innerhalb von sechzehn Stunden mehrfach die Hand zum Mund zu führen. Und dieses Ascheschnipsen ungezählt wie oft! Muskeltraining. Ständig. Raucherinnen verbrauchen zweihundert Kalorien am Tag. Kalorien? Kilokalorien! Die Zigi davor und danach? Schwerstarbeit! Warum habe ich bloß aufgehört? Doch nicht wegen der Gesundheit. Das bisschen Husten und die leise rasselnden Bronchien? Völlig überbewertet. Schuld sind sowieso die Abgase. Ein Auto rauscht mit knatterndem Auspuff an uns vorbei.

„Brems endlich ab, Mette. Sonst verpasse ich dir einen Pulsmesser. Optimal sind siebzig Prozent von 226 minus dein Alter. Also, Mette, du bist zu schnell. Für dein Alter.“
Und so etwas ist meine beste Freundin? Irma sollte mich besser kennen. Beim Sport ist das Ziel, so schnell wie möglich Laufschuhe in die Ecke, Klamotten aus, ab unter die Dusche, rein in den Hausanzug und rauf auf die Couch. Und sonst nichts. Leider. Das waren noch Zeiten, als neben der Fernbedienung fürs Fernsehen Feuerzeug und Fluppe auf mich warteten.
„Intervalltraining heißt, drei Minuten zügig gehen und dann drei lockeres Tempo laufen. Das reicht fürs Erste.“
Ich bleibe stehen. „Mir langt’s. Warum tu ich mir das überhaupt an? Nur wegen ein bisschen Gesundheit in spe? Um das Sterben, liebe Irma, da kommen wir eh nicht herum.“
Wieder ein Auto. Der Fahrer raucht. Ich seufze. „Viel wahrscheinlicher, dass mich ein Unfall erledigt, viel schneller als der Lungenkrebs. Mit meinem Glück werde ich keinen einzigen Tag der Rente genießen können.“
„Mensch, Mette, die Sucht hat dich ja voll im Griff.“ Irma runzelt die Stirn. „Lunge, Kreislauf, Hüftgold, Herzchen, alles gleichgültig. Dann gibt es nur noch eins.“ Sie strahlt. „Verlieb dich, mein Stinkstiefelchen.“

Das war wirklich der einzige Grund, nicht mehr zu rauchen: der Gestank. Ich konnte mich selbst nicht mehr riechen. Aus allen Poren kroch Qualm. Ein wenig Herzengagement gegen Entzugserscheinungen? Hört sich gut an. Luft und Liebe, das ist die ideale Diät. Sex bleibt mein Lieblingssport und Küssen ist das beste Mittel gegen Raucherzunge. Ach, was kann Gesundheitsfürsorge schön sein! Ich hab das Rezept. Wo, bitte, ist die nächste Apotheke? Mit einer Hübschen im weißen Kittel? Nichtraucherinnen bevorzugt.

Inge Lütt liest aus Die indonesischen Schwestern: Mein Freund die Linde

Die erste stürmische Nacht hat die kleine Kiwi gut überstanden. Aber die alte Linde am Friedhof steht nicht mehr. Als frischgebackene Großmutter kommt Phyllis ins Grübeln. Neue Soundbites ab Seite 30: „Die indonesischen Schwestern“ lassen aufhorchen.