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Samstag, 14. Juli 2012

Glückshandel

Glückshandel

Meine Busenfreundin kippt ihren Korb auf dem Küchentisch aus. Ich grabsche nach den Zeitschriften. „Hast du wirklich alle gekriegt, Irma?“
Sie nickt. „Allerliebste Mette, Auftrag hoffentlich zu deiner Zufriedenheit ausgeführt. Was willst du nur mit all dem Papier?“ Ich zwinkere ihr zu. „Das Glück, ich muss es anschubsen. Sonst kriege ich das Geld für die Weiterbildung nie zusammen.“

Irma zieht die Augenbraue hoch. „Sparen vielleicht?“, fragt sie und blättert in den Heften, die sie aus dem Altpapier gerettet hat. „Willst du zwei mal zwei Nächte für zwei Personen im Wellnesshotel gewinnen? Im Wert von zweitausend Franken.“ Sie nimmt den Bleistift.
„Alles, was zu Geld gemacht werden kann, macht mich glücklich.“ Ich schlage den Apothekenratgeber auf. Botanik, Bewegung, Beauty? Ich weiß Bescheid. Weiter zum Sudoku. Brauche ich eine Kompaktwaschmaschine? Egal. Das Glück macht sowieso, was es will.
„Dann spiel doch gleich Lotto.“ Irma radiert. „Rätseln kostet Zeit. Und ist Arbeit.“
„Viel zu teuer, meine Liebe. Das Geld für den Lottoschein will ich nicht berappen. Auch ohne Franken muss das klappen.“
„Reich werden beim Rätseln? Soviel Glück widerfährt höchstens Gustav Gans. Und der hat keine Schwester.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Immerhin wusste er, dass der Eigenanteil am Erfolg überschätzt wird.“
„Ach, Irma. Auch wenn sie selten sind, Wunder gibt es immer wieder.“ Meine Stimme klingt trotzig. „Ist dir denn noch nie eins begegnet?“
Selbstverständlich hat das Glück nicht die Tüchtige. Es gibt Milliarden von Tellerwäscherinnen, die tagein, tagaus riesige Spülmaschinen füllen und tagaus, tagein davon träumen, die eigenen Millionen zu waschen. Na und? Es braucht ein klitzekleines Quäntchen Glück, um im Geld zu schwimmen. Und ein wenig Tatkraft. Sonst geht der Tresor nie auf.

„Die meisten Lottomillionäre haben das Geld ohnehin innerhalb von zwei Jahren verbraten.“ Irma lacht. „Und dann wäre es wieder Essig mit der Weiterbildung.“
„Geben wir dem Zufall die Chance, auch mit mir Schicksal zu spielen. Ich will doch keinen Sechser im Lotto oder eine Riesenerbschaft. Mir genügt ein Lebensmittelgutschein pro Monat, zwei Jahre lang.“
„Zufall?“ Irma nickt begeistert. „So viele Erfindungen gibt es, die steinreich gemacht haben. Dabei sind sie bloß zufällig entstanden. Zet Punkt Be Punkt LSD. Penicillin, Röntgenstrahlen, Klebezettel, Tintenstrahldrucker und und und. Mikrowellenherd. Das Schicksal liebt den Zufall.“
Besonders, wenn es ein bisschen geschubst wird. Es ist einfach schöner, Kreuzworträtsel zu lösen, als auf den Glücksboten zu warten.
Und wenn ich nicht gewinne? Mein Blick schweift durch die Küche. Wenn ich nicht gewinne, werde ich eben einige Dinge zu Geld machen. Für den Toaster und das Waffeleisen bekomme ich sicher noch ein paar Franken. Dann ist das Porto fürs nächste Preisausschreiben schon mal gesichert. Stabmixer, Entsafter, Dampfgarer. „Sag mal, hast du nicht letztens gesagt, dass du auch genau so einen haben musst?“ Ich deute auf den Tischgrill.
„Zeig mir lieber die Rechnung von der Weiterbildung.“ Irma lacht mich an.